Augenblicke,
Augenblicke …
über das Schicksal dieses Menschen könnte man einen Roman schreiben
oder einen mehrteiligen Film drehen. Studium an einer Hochschule, Wehrdienst
bei der Roten Armee, Krieg, Gefangenschaft, Dienst bei der Wehrmacht, Arbeit
als Dolmetscher … Warum nur wurden diese Etappen des schweren Schicksals
von Adolf Bersch kein Thema für eine dokumentarische Darstellung in der
UdSSR? Zum ersten Mal hat der berühmte Pädagoge und Aktivist der Autonomiebewegung
A. Bersch selbst über die unbekannten Seiten seiner Biographie im Buch
„Zwischen Leiden und Hoffen“ (Das Schicksal eines Wolgadeutschen),
das in Deutschland veröffentlicht wurde, erzählt.
Der Historiker und Germanist A. Bersch schrieb ein Erinnerungsbuch über
Tatsachen. Es liest sich aber wie ein Kriminalroman. Der Autor bringt den Lesern
die Geschichte der Wolgadeutschen nahe (vor dem Krieg hatte er noch seine Dissertation
über die Teilnahme der Deutschen an E. Pugatschows Aufstand gemacht). Der
Autor erinnert sich der Zeiten der Kollektivierung und der Repressalien …
Die Erzählung schreitet fort zum Großen Vaterländischen Krieg.
Adolf Bersch schreibt ausführlich und offen. Wenn man das liest, ist es
kaum zu glauben, dass diese Geschichte ein Happyend hat. Da spielt Bersch Schach
in Berlin mit dem Weltmeister Alexander Aljochin … Da begleitet er Wassilij
Stalin auf die Jagd …
Die militärische Karriere von A. Bersch endet, als er als Repatriierter
aus Deutschland in die UdSSR zurückgeschickt wird. Im Wolgagebiet gibt
es schon keine Deutschen mehr – sie sind längst ausgewiesen worden,
und der ehemalige Soldat wandert durch die Straßen der Städte und
Dörfer, wo nun fremde Leute leben. Es gelingt ihm, Arbeit als Lehrer zu
finden. Er sucht und findet seine Familie in Woronowo, Gebiet Tomsk, nach 10
Jahren der Trennung.
Nur wenige vor Bersch haben das Leben der Zwangsumsiedler in der Nachkriegszeit
so ausführlich beschrieben. Er selbst entging der Trudarmee, hat aber die
Folterkammer des NKWD-MGB durchgemacht, der nicht jeder standgehalten hätte.
Sein ganzes Leben lang bewegte er sich wie auf der Messerschneide.
Nach der Abschaffung der Spezialkommandantur zog 1957 Adolf Bersch mit seiner
Familie auf die Station Pallassowka des Gebiets Wolgograd um und arbeitete dort
als Deutschlehrer bis zu seiner Rente. Er war Teilnehmer der ersten Delegationen
der Autonomiebewegung (1965 und 1988), Organisator des deutschen Kulturlebens
in Pallassowka. Bis Anfang der 90er Jahre glaubte Bersch an die Möglichkeit
der Wiederherstellung der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen
(ASSRdWD), deshalb war er Gegner der Emigration in die Bundesrepublik Deutschland.
Aber er entschied sich doch, Russland auf ewig zu verlassen, um die Wahrheit
über die Vergangenheit zu schreiben und nie mehr zurückzukehren.