Vorbemerkungen des Herausgebers
Dieser Abriss der Geschichte des deutschen Volgagebietes, von Peter Sinner selbst eingeleitet, erschien im Jahre 1923, das heißt unmittelbar vor der Verkündung der ASSR der Wolgadeutschen, die bekanntlich von 1924 bis 1941 bestand. Diese Periode ist in P. Sinners Abriss nicht vertreten, was ja für eine Darstellung, die Eduard Huber gewidmet ist, auch nicht unbedingt erforderlich ist: Der Dichter starb nämlich bereits 1847, deshalb ist in diesem Zusammenhang vor allem das 19. Jahrhundert relevant. Die aufschlussreiche Zusammenfassung von P. Sinner bedarf aber trotzdem einiger Ergänzungen. Denn selbst Peter Sinner, vor dem die Volgadeutschen die größte Achtung hatten, war gezwungen, die bisher in diesem Ausmaß nie da gewesene Hungerkatastrophe an der Volga von 1921 nur flüchtig zu erwähnen. Dabei wusste er sehr gut, dass diese Katastrophe auf die räuberische Politik Moskaus zurückging, die allerdings von subalternen Parteifunktionären an der Volga rücksichtslos umgesetzt wurde. Sie stützten sich dabei auf bewaffnete „Proletarier-Formationen“, die von der bolschewistischen Regierung entsandt wurden.
P. Sinner musste außerdem verschweigen, dass das bolschewistische Blutregime in den deutschen Dörfern an der Volga unter der Leitung von E. Reuter (Friedländer) und K. Petin eingeführt wurde, die, um dieses Ziel zu erreichen, zunächst die demokratisch gewählten Vertreter des Volkes ausgeschaltet hatten. Wer sich für diese Problematik interessiert, kann darüber ausführlicher im Buch „Der Lohn für die Treue“ von Robert Korn nachlesen.

Vorbemerkungen Peter Sinners
Diese Arbeit ist ein Abriss unserer Heimatgeschichte. Sie entstand auf äußerst unnormale Weise. Die anderen Beiträge waren, bis auf noch einen, bereits fertig für die Druckmaschine, als an mich die Aufforderung erging, einen Beitrag zu liefern. Da das Sammelwerkchen zunächst für die Schule und die Lehrer bestimmt war, konnte ich bei aller Überlastung mit Arbeit und trotz der kurzen Lieferungsfrist nicht umhin, ich musste drangehen und, tagsüber meinen Berufspflichten genügend, meist Nächte hindurch arbeiten. Ich war also gezwungen, in einem Monat das viele Handschriftenmaterial zu durchstöbern und die Arbeit zu beenden. Zum Glück war der Stoff vorher durchgearbeitet. Aber peinlich ist es doch, eine so wichtige Arbeit mit solcher Hetze niederschreiben zu müssen. Bei mehr Zeit und Muße wären natürlich die Quellen ausgiebiger auszunützen und die Arbeit gediegener zu gestalten gewesen. Aber ich dachte: Lieber dem Lehrer einen flüchtigen geschichtlichen Abriss in die Hand geben, als ihn während der Geschichtsstunde mit leeren Händen vor die Kinder treten lassen. Ich bitte daher den Leser um gerechte Nachsicht.
Hätte ich mehr Zeit gehabt, so würde ich auch die Einteilung des Stoffes anders gestaltet und ihn etwa in folgende Abschnitte eingeteilt haben:
I. Gründungszeit und erste Notjahre (1764–1774);
II. Aufblühen der Kolonien unter dem ersten Kontor (1775–1782);
III. Niedergang der Kolonien unter den allgemeinen Staatsbehörden (1783–1796);
IV. Höchste Blüte unter dem zweiten Kontor (1797–1844);
V. Gründung der Tochterkolonien (Absiedlungen) (1845–1876);
VI. Die Kolonien unter den allg. bäuerlichen Selbstverwaltungsbehörden (1877–1916);
VII. Die neue Zeit (Weltkrieg, Verfolgungen, Revolution, Misswachs; 1917–1922);
VIII. Geistiges Leben (Schule, Volksleben, Presse, Schrifttum);
IX. Schluss (Rück- und Ausblick).