Die
rund einhundertundvierzig Gedichte wurden nicht nur gemäß einer gewissen
Rangliste der russischen Lyrik ausgewählt. Johann Warkentin griff aus einem
umfangreichen Allerlei von übersetzungsarbeiten nur heraus, was ihm auch
nach Jahren noch lesenswert scheint und was den direkten Vergleich mit dem Urtext
nicht scheuen muß. In der Anordnung des Stoffes, die naturgemäß
mit Puschkin beginnt, ist eine chronologische Abfolge angedeutet, aber auf eine
thematische Gliederung wurde bewußt verzichtet. Bunin, Zwetajewa, Block,
Jessenin, Pasternak, Wyssotzki sind selbstverständlich vertreten; auch
Okudshawa schließt die Reihe nicht ab, obwohl der Untertitel das vermuten
läßt.
Der Band will sowohl zum Sprachvergleich, als auch zur Gegenüberstellung
von dichterischen Mitteln anregen, vor allem aber möchte er helfen, allbekannte
russische Verse dem deutschsprachigen Leser vertraut zu machen.
Johann
Warkentin, geb. 1920 auf der Krim; 1937 Abitur an der damals noch deutschen
Schule seines Heimatdorfs Spat. Vier Jahre Anglistikstudium in (damals) Leningrad.
Im ersten Blokadewinter Militärdolmetscher bei der Marine. Im Frühjahr
1942 als Deutscher nach Ostsibirien abgeschoben. Bis Mitte 1946 Arbeitsdienst
in der Taiga. „Illegale“ Rückkehr nach Leningrad zur Beendigung
des Studiums, ab 1948 wieder in Sibirien. Sprachlehrer im Altai und in Alma-Ata.
1969–1980 Literaturredakteur der Moskauer Wochenschrift „Neues Leben“.
Als Gastmitglied Teilnahme an der Arbeit der übersetzersektion des Schriftstellerverbands
der DDR. 1980 übersiedlung nach Ostberlin. Freiberuflich als Nachdichter
tätig. Leiter Autorenfachseminare, Herausgabe des Werkstatthefts „Einmaleins
des Schreibens“ und des Almanachs „Wir selbst“. In Deutschland
sind von J. Warkentin erschienen: „Russlanddeutsche – woher? wohin“
(1990); Russlanddeutsche Berlinsonette (1996); „Geschichte der rußlanddeutschen
Literatur“ (1999); „Nachdichtungen – Höhepunkte der russischen
Lyrik“ (2000); zahlreiche Publikationen in Zeitschriften und Sammelbänden.
Hier eine Kostprobe aus den „Nachdichtungen“:
Я к ней вошёл в полночный час. |
Sie
schlief, als ich in später Nacht eintrat. Der volle Mond schien mitten ins Zimmer, und, herabgeglitten, die Atlasdecke glänzte schwach. |
Она
лежала на спине, |
Sie
ruhte, auf dem Rücken liegend, die Brüste zweigeteilt, entspannt … Wie im Gefäß der Wasserspiegel, im Schlaf ihr Leben stillestand. |
Iwan Bunin – Literaturnobelpreisträger | |